Rosinenhäuser

 

Das gibt’s nur bei den Uiguren: Häuser für Rosinen.

Die Turpan-Oase am nördlichen Rand der Wüste Taklamakan ist sehr fruchtbar und die Sonne scheint so warm und ausdauernd, dass die Weinreben, die hier wachsen, Trauben mit einem ganz besonderen Aroma und ungewöhnlich hohem Fruchtzuckeranteil hervorbringen. Deshalb haben sich die Bauern schon vor langer Zeit auf den Weinanbau spezialisiert, obwohl selbstverständlich auch anderes Obst, Gemüse und Baumwolle angebaut werden.

Nach der Lese werden die Trauben in speziellen Trockenhäusern aus Lehmziegeln an Holzgerüste gehängt. Die Wände dieser Häuser sind so gemauert, dass die Beeren in einem ständigen Luftzug und vor direkter Sonneneinstrahlung geschützt austrocknen können. So werden die Weinbeeren in zwei bis vier Wochen zu Rosinen. Heute kann man die Trockenzeit durch chemische Zusätze deutlich reduzieren. Die Rosinen werden dann auf der Erde oder auf einem Tuch ausgebreitet und mit Stöcken geschlagen, damit sie sich von den Rappen lösen. Anschließend kann man sie mit Hilfe eines großen, grobmaschigen Siebs von den Stielen trennen. Später setzen sich Frauen zusammen und zwicken mit den Fingern und viel Geduld die kleinen Stielchen ab.

Mancherorts stehen Rosinenhäuser in riesigen Anlagen beieinander, häufig auch an den Hängen eines Tals, an denen nichts angebaut werden kann, und einige thronen auf dem Dach eines Wohnhauses, wo sie in heißen Sommernächten auch als luftiger Schlafplatz dienen können.

Die Trauben, die in einem Lehmziegel-Trockenhaus getrocknet werden, behalten eine grünliche Farbe. Werden sie dagegen gleich nach der Ernte zum Trocknen in die Sonne gelegt, verfärben sie sich braun. Braune Rosinen kennt man überall, aber grüne Rosinen aus Turpan sind etwas Besonderes, denn – ob klein oder groß, länglich oder rund, mit Kern oder ohne – in einem uigurischen Rosinenhaus getrocknet schmecken sie anders als alle anderen.

Dass in einer Wüstenregion mit extremen Klimabedingungen ein derart prosperierender Weinanbau möglich ist, grenzt an ein Wunder: Im Sommer kann das Thermometer auf 50°C steigen, im Winter auf -20°C fallen und es regnet fast nie. Die mittlere Niederschlagsmenge liegt bei 16 Millimeter im Jahr. Doch die Bauern der Turpan-Oase hatten schon früh eine Lösung gefunden: Für die Bewässerung sorgte das unterirdische Karez-System[1], das Wasser aus den Bergen heranführt. Wenn der Winter naht, muss man alle Weinstöcke umlegen und mit Sand abdecken, damit sie nicht erfrieren. Und die heiße Wüstensonne, nun, die ist es ja gerade, die die Trauben so unvergleichlich süß und aromatisch macht.

 

Siehe auch:  Rosinenhäuser im Bild

 



[1] vgl. Das Land der Uiguren. Für größere staatliche Weinbaubetriebe reicht das Wasser des Karez-Systems heute nicht mehr aus, so dass man auf Grundwasserreserven zurückgreifen muss.